Montag, 14. September 2009 Frankfurt und das Selbstbewusstsein der Deutschen
Mercedes-Benz SLS AMG
IAA 2009 in Frankfurt! Vieles – eigentlich alles – ist nicht mehr so, wie es war. Anhaltende Unruhe hat die internationale Automobilbranche erfasst. Keiner weiß so recht, ob jemals wieder die Überzeugung zurückkehrt, bei Zukunftsprojekten aufs richtige Pferd zu setzen. Die latente Unsicherheit hat Gründe. Schließlich begleitet alle alternativen Antriebe, die mittlerweile hoch im Kurs stehen, noch immer ein mehr oder weniger großes Handicap. Batteriegetriebenen Autos fehlt es an Reichweite, ihre Energiespender beanspruchen zu ihrer Regeneration an der Steckdose viel zu viel Zeit. Und Batterien mit entsprechend großer Speicherkapazität schrauben den Preis solcher Autos in bedrückende Höhen. Schon sind staatliche Förderprogramme im Gespräch, obwohl bislang nicht ein einziges E-Mobil käuflich zu erwerben ist. Das erste Serienprodukt, dessen Verkaufsstart für Anfang nächsten Jahres angekündigt worden ist, wird vermutlich die drei stilisierten Diamanten tragen, das Mitsubishi-Markenzeichen.
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Vergeblich noch wird Ausschau gehalten – nicht nur in Deutschland – nach Wasserstofftankstellen, die Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb aus ihrem eng begrenzten Einsatzterrain ausbrechen lassen könnten. Hoffnung macht, dass dieser Tage gleich zehn führende Automobilunternehmen eine gemeinsame Erklärung zur Entwicklung und Markteinführung von Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb unterschrieben haben und Deutschland die Entschlossenheit gepackt hat, eine flächendeckende Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen. Gut, dass sich unser Land, in dem einst das Automobil erfunden wurde, zu seinem Ehrgeiz bekennt, Leitmarkt für Autos mit vollelektrischen oder teilelektrischem Antrieb zu werden, und obendrein endlich einmal das erfrischende Selbstbewusstsein an den Tag legt, aus seinem Anspruch keinen Hehl zu machen. Schließlich ist es ganz und gar nicht nach Art des Hauses der Deutschen, unter der offenbar ewigen Bürde dessen, was vor langen sieben Jahrzehnten zu Ende ging, selbstbewusst aufzutreten.
Ganz ohne Rundgang durch die Hallen der 63. IAA ließe sich erahnen, was dort in den Tagen bis zum 27. September zu sehen ist. Seit Wochen sind die Medien voller Vorberichte. Klar doch, dass auf den spotlight-gespickten Showbühnen der Automarken jene Exponate in den Vordergrund gerückt werden, die sich in der symbolisch-progressiven Leuchtfarbe Grün gefallen, weil sie mit niedrigen CO2-Werten kokettieren. Wettbewerb ist entbrannt. Man sucht sich gegenseitig zu unterbieten. Immer noch weniger Gramm CO2 pro Kilometer? Wo soll das enden?
Der Umwelthype, ideologisch gesteuert, hat es doch tatsächlich vollbracht, dass sich der Kraftstoffverbrauch bei jeder Fachdebatte die Vormundschaft des Kohlendioxids gefallen lassen muss. Geringer Benzin- oder Dieselverbrauch? – Er zählt kaum mehr. Gebannt blicken Umweltrichter zuerst auf den CO2-Ausstoß der Autos, als ob davon mit Sicherheit abhinge, wie warm es auf der Erde wird. Nach Überzeugung nicht weniger ehrenwerter Wissenschaftler bleibt noch immer fraglich, ob alles „menschengemachte CO2“ die Erderwärmung vorantreibt. Über solchen Einwurf geht die offizielle Umweltpolitik besserwisserisch hinweg. Immerhin, in der CO2-Diskussion bekommt nun wenigstens öfter auch jener Zweifel Stellenwert, der die Frage aufwerfen lässt, wie viel CO2 eigentlich bei der Stromerzeugung und bei der Produktion von Wasserstoff entsteht – was ehrlicherweise beim Strom- und Wasserstoffverbrauch jedes einzelnen „grünen“ Fahrzeugs berücksichtigt werden müsste.
Die abenteuerliche Reise ins Autoland von morgen wird viele neue Erkenntnisse gewinnen lassen. An erklärte Ziele wäre sicher schneller zu gelangen, würde auf dem Weg dorthin jeglicher ideologischer Ballast abgeworfen. Doch diese Hoffnung zählt inzwischen eher zu den Wunschträumen, die uns in die interessante automobile Zukunft begleiten. (PS/ar/Wolfram Riedel)
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