Vor 40 Jahren, als sich ein paar Pariser Oldtimerfreunde in den Kopf gesetzt hatten, eine Messe für altes Blech zu veranstalten, gründete am anderen Ende der Welt ein gewisser Steve Jobs zusammen mit einigen Freunden sein Unternehmen, das bald Weltneuheiten mit einem angebissenen Apfel auf den Markt bringen sollte. In Paris startete die erste Concorde der Air France Richtung Rio, schluckte Peugeot den Konkurrenten Citroën, und mit Niki Laudas Feuerunfall endete die Grand-Prix-Geschichte des Nürburgrings. Was vor vier Jahrzehnten als bessere Ersatzteilbörse begann, nutzt die Industrie heute zwar inzwischen zur Selbstdarstellung, doch die Clubs und Händler, die Tauschbörsen und die verschiedenen Foren haben den ursprünglichen Charakter der Messe nicht nachhaltig verändern können. Mercedes-Benz nutzt die Retromobile in diesem Jahr zu einem Aus- und Rückblick. Im Zentrum des gut 500 Quadratmeter großen Stands stehen die Luxus-Cabriolets der Marke vom 300 SC aus den 1950er-Jahren über den 300 SL Roadster und den Pagode-Cabriolets bis zu den S-Klasse-Cabriolets der 1970er-Jahre. Die Kollektion, so die Intention der Stuttgarter, soll das Publikum auf das neue viersitzige Cabriolet der S-Klasse einstimmen. Porsche hingegen nutzt die Messe, um die Restaurierungsarbeiten ihrer Zentren zu präsentieren. Als Zeugen für das Jahr 1976 stehen in Paris unter anderem der legendäre und, wie ein Blick auf das aktuelle Straßenbild zeigt, unzerstörbare Mercedes W 123 sowie der Volkswagen Golf GTI auf dem Podium. Im gleichen Jahr brachte der Alfa Sud Sprint italienisches Flair in die Vorstädte. Mit dem von einem ursprünglich aus dem biederen Renault 30 stammenden und entsprechend aufbereiteten Sechszylinder im Heck verstand sich damals der Alpine A 310 V6 als Porsche- und Mercedes-SL-Jäger, während BMW mit der Sechser-Reihe endgültig in die Premium-Liga rollte. Von einem ganz anderen Kaliber ist ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung, der neben dem optischen auch akustisch unvergessliche Erlebnisse bieten wird. Den Machern ist es dank der Zusammenarbeit mit dem britischen National Motor Museum in Beaulieu gelungen, einige frühe Rekordwagen an die Seine zu holen, darunter den Napier aus dem Jahr 1903, heute der älteste noch existierende britische Rennwagen. Unter der Haube der beeindruckenden Blechhülle stampft ein 7,7-Liter-Vierzylinder, dessen Botschaft unmissverständlich lautet: „Ich meine es ernst, ich will nicht spielen“.
Vor gut 110 Jahren stand vor den rekordsüchtigen Piloten eine Zahl wie ein Menetekel: Sie wollten endlich schneller als 200 km/h über die Piste rasen. Zu diesem Zweck entstand 1905 im Pariser Vorort Suresnes aus zwei Vierzylindern ein V8-Monster, das einen Hubraum von 25,5 Liter erreichte, was sich für die damalige Zeit ungeheuerliche 200 PS übersetzte. Leider hatten die Anstrengungen kein Happy End, denn am Ende erreichte der Darracq nur 197 km/h. Auch dieser Motor wird in Paris noch einmal zum Leben erweckt werden. In Turin arbeiteten die Fiat-Mechaniker im Jahr 1911 an einem ganz speziellen Boliden. Der S 76, auch „Bestie von Turin“ genannt, sollte endlich den damals unangefochtenen Rekordwagen Blitzen Benz in die Schranken weisen und das mit einem 30 Liter großen Antrieb, der es auf 300 PS brachte. Pietro Bordini wagte sich hinter das Lenkrad, doch trotz seines aufopferungsvollen Kampfes mit der unberechenbaren Mechanik erreichte er nicht mehr als 180 km/h. Erst der zweite Besitzer, ein offensichtlich todesmutiger russischer Fürst, erreichte 1913 in Ostende 210 km/h und entthronte endlich den Stuttgarter Rekordwagen. Der britische Sammler Duncan Pittaway entdeckte den italienischen Rekordler in einer australischen Garage und restaurierte die „Bestie“. Auch der Fiat wird in Paris seine unvergessliche akustische Note hinterlassen. (ampnet/ww)
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