Mittwoch, 1. Februar 2017 Altes Blech strahlt auf der Rétromobile
Delage (1927). Foto: Revs Institute/Peter Harholdt
Der automobile Mensch ist eine tief in sich gespaltene Persönlichkeit. Er sucht ständig nach den aktuellsten technischen Lösungen, schwärmt vom Elektroantrieb oder Vernetzung, und denkt über autonomes Fahren nach, während er sich in der Tiefe seines Herzens gleichzeitig in eine Zeit zurücksehnt, als Automobile vergleichsweise einfach gestrickte Modelle mit einer leicht zu durchschauenden Mechanik waren.
Die damals von Designern erdachten Formen bringen ihn zum Schwärmen und lassen das moderne Blech samt elektronischer Helfer verblassen. Keine Frage, die in Ehren ergrauten Altwagen besitzen eine Ausstrahlung, die immer mehr Menschen in den Bann zieht und die inzwischen zahlreichen Oldie-Messen zu Zuschauermagneten mutieren lässt.
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Die Mutter aller Oldtimer-Messen ist für die Freunde edlen Altmetalls seit inzwischen 41 Jahren die Rétromobile auf dem Pariser Messegelände an der Porte de Versailles. Rechtzeitig vor dem Start in die Saison im Frühjahr trifft sich die Szene Anfang Februar (8.–12.2.2017, Eintritt 18 Euro) in der französischen Hauptstadt. Hier kann auf Hochglanz poliertes Blech ebenso bewundert werden wie das eine oder andere lange vermisste Teil gesichert werden. Einst als eine Art gehobener Flohmarkt für Ersatzteile gestartet, hat sich die Messe in den vergangenen Jahren zu einer Mischung aus Szenetreff und Selbstdarstellung der wichtigen Hersteller entwickelt. Neben den aufwändigen Ständen der üblichen Verdächtigen behaupten sich immer noch die einzelnen Markenclubs als Blickfang mit ihren mitunter exotischen Modellen. Genauso bunt wie die Ausstellungsstände ist auch das Publikum. Neben dem Hobbyschrauber, dessen Hände die Arbeit an der Mechanik spiegeln, und der hofft, für kleines Geld ein ganz bestimmtes Teil zu finden, sondiert der Jäger und Sammler auf der Suche nach automobilen Raritäten die Auslagen, und Mister Superreich durchmisst im Maßanzug gelassen die Ausstellung, um im abgeschirmten Bereich beim Auktionshaus Artcurial die eine oder andere Rarität zu ersteigern, wobei Geld keine Rolle spielen darf. Auch in diesem Jahr werden die angebotenen automobilen Juwelen mit Sicherheit zweistellige Millionenbeträge erlösen. Im Mittelpunkt stehen ein Talbot Lago (1936) Bugatti Atalante (1935) und der Prototyp des Ferrari Dino aus dem Jahr 1965. Abgeschirmt vom automobilen Fußvolk trifft sich der automobile Hochadel auf dem Stand des Auktionshauses und schlendert, Champagner schlürfend, an den Objekten der Begierde vorbei. Den Herrschaften entgeht allerdings dabei der wahre Charme der Rétromobile. Der erschließt sich den Besuchern am Rand der Ausstellung, wo sich die Duftnoten aus altem Blech, Papier, Gummi und Öl zu einem ganz besonderen Parfum mischen. Alte Prospekte von längst untergangenen Marken suchen hier ebenso ihren Liebhaber wie Schlüsselanhänger, alte Blechreklameschilder, Öldosen, Spielzeugautos und Ersatzteile mit mehr oder weniger deutlichen Gebrauchsspuren. Den Machern der Rétromobile gelingt es immer wieder, besondere Schwerpunkte zu setzen. Waren es vor einigen Jahren die Luxuskarossen der indischen Maharadschas, so feiert die Messe in diesem Jahr 70 Jahre Ferrari. Am 12. März 1947 verließ der erste Ferrari-Rennwagen die Fabrik. Zwei Monate später siegte der 125 S mit Franco Cortese hinter dem Lenkrad beim Grand Prix von Rom. Dem ersten Rennwagen folgte bald der erste Sportwagen für die Straße, und damit begann der bis heute andauernde Mythos.
An der Seine stehen nun einige einmalige Ikonen der Firmengeschichte. Zum Beispiel der 166 Mille Miglia, der 1949 die ersten 24 Stunden von Le Mans nach dem Krieg gewann oder der 250 LM, das erste Mittelmotor-Modell der Marke, den die Sammlung Schlumpf nach Paris schickt. Ebenfalls aus der Sammlung Schlumpf stammen die 250 LM Berlinettta aus dem Jahr 1965 und der Monoposto 312 B aus dem Jahr 1970. Acht Modelle vereinten die Ausstellungsmacher, um die Geschichte der italienischen Sportwagen-Schmiede zu erzählen. Die Rétromobile ist eine französische Messe, und deshalb stehen regelmäßig Marken der Grande Nation im Mittelpunkt. In diesem Jahr werden daher in der Abteilung Youngtimer die Turbomodelle aus dem Hause Renault gefeiert. Außerdem rückt eine inzwischen zu Unrecht vergessene Marke in das Scheinwerferlicht. Delage war bis in die 1930er Jahre ein renommierter Hersteller sportlicher und luxuriöser Modelle, für den nach dem Krieg kein Platz mehr auf den Straßen war. 1953 wurde der letzte Delage gebaut. In Paris stehen nun zum ersten Mal sechs außergewöhnliche Boliden aus den 1920er-und 1930er-Jahre zusammen. (ampnet/ww)
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