Mittwoch, 5. Oktober 2016 Ein Fazit vom Pariser Salon: „Wir starten ein Raumschiff“
Mercedes-Benz Generation EQ. Foto:Daimler
Das war mal eine steile These vom sonst so zurückhaltenden Daimler-Forschungsvorstand Thomas Weber. Den Hype rund ums Smartphone hält er für eine Blase, die platzen werde. „Wir waren für die Dinosaurier. Das sind bald die,“ sagt Weber den Smartphone-Leuten voraus. „Warum beschäftigen sich denn in Silicon Valley alle mit dem Auto? Weil das Handy nicht mehr hot oder cool ist.“ Das neue coole Thema sei das Auto. Ist das ein Pfeifen im dunklen Keller? Mehr als noch vor zwei Jahren sollte dieser Automobilsalon in Paris Antworten geben. Dieter Zetsche spricht schon seit geraumer Zeit davon, man müsse zurück in die Garage und das Auto neu erfinden. Das Auto, das dabei herauskommt, wird in jedem Fall ein anderes sein als die aktuellen Modelle auf dem Pariser Salon, die heute vielfach noch vergeblich um die Anerkennung der Generation Smartphone buhlen.
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Das Bild von der Garage steht nicht nur für die Geschichte des Automobils. Es trifft ebenso auf die Anfänge von Tesla und auf den Beginn der Digitalisierung in Silicon Valley zu. Und es beschreibt die grundlegend neuen Situation, in der sich Automobilhersteller heute sehen. Kein Wunder, dass sich beim Automobilsalon in Paris nicht nur zwei große deutsche Automobilhersteller zur „Garage“ bekennen und neues Denken einfordern. Volkswagen-Chef Matthias Müller verkündete in Paris eine Tochtergesellschaft, die schon in den nächsten Tagen damit beginnen soll, neue Geschäftsfelder rund um die Mobilität zu erkunden und aufzubauen. Bei Mercedes-Benz hat die neue Marke schon einen Namen: „EQ“ als Kürzel für „Electric Intelligence“. In Paris stand als Symbol für die neue Denke die passend futuristische Studie eines Elektro-SUV. Zum Symbol kommt ein neues Geschäftsfeld namens „CASE“ – C für Connectivity, A für Autonomous, S für Shared und E für Electric.
Bei BMW will man mit dem neuen Marken-Erker „Performance E“ einem Weg finden, Leistung sozialverträglich zu verkaufen. In Paris zu sehen waren passende Power-Plug-ins. Sicher laufen auch in München passende Zukunftsprojekte zum neuen Zeitgeist. Auch wird das Management den Erfolg von Tesla als motivierend rmpfinden. Da taugen die mäßigen Erfolge der Elektroauto-Produkte i3 und i8 nur wenig als Trost. Zetsche erteilte in Paris „Verzichtsmobilen, die eher müsliartig daherkommen“ eine Absage. Für Tesla hat er dagegen sogar zunächst ein Kompliment parat: Elon Musk habe einen erfolgreichen Weg beschritten, indem er sich gesagt habe: „Ich biete ein elektrisches Auto an, das ein Luxusgerät darstellt und auch noch andere Themen adressiert.“ Das funktioniere solange, wie die Story bei den Käufern und Investoren trage. „Das kann abrupt enden, wenn der Story die Luft ausgeht.“ Zetsche erkennt angesichts der Tesla-Erfolge und der Vorstellung des Opel Ampera e mit 500 km Reichweite in Paris an, es gebe andere, die jetzt vor Mercedes-Benz im Markt seien. „Ich glaube aber nicht, dass das bestimmt, wer in fünf oder zehn Jahren in diesem Feld welche Position einnimmt.“ Heute gebe es Kunden, die sagen ‚ich will etwas für die Umwelt tun‘ und deswegen Elektroautos kaufen. Das mobilisiere aber nicht die Massen. „Am Ende des Tages müssen wir Begeisterung bei den Kunden auslösen und diese Begeisterung nicht durch allzu große Preisprämien pönalisieren.“ Wie man Strafzahlungen für die Entscheidung für ein Elektroauto bei Mercedes-Benz vermeiden will, erläutert Forschungsvorstand Weber, wenn er sagt, das Elektroauto solle sich auf demselben Leistungs- und Preisniveau bewegen wie ein „gut ausgestattetes SUV vom Typ Mercedes-Benz GLC“, was Preise um die 60 000 Euro bedeutet. „Wir sind bei der Musik dabei bei etwa 100 Euro pro kWh Batterie, inklusive Gehäuse, Kühlung und so. Dann sind wir da, wo die Verbrenner heute ungefähr sind.“ Ist diese Situation erreicht, erwartet Weber einen Anteil an den Verkäufen von Mercedes-Benz zwischen 15 Prozent und 25 Prozent – etwa im Jahr 2025. also schon in acht oder neun Jahren. Zur Zeit liegen die Batteriepreise noch bei 300 Euro pro kWh. Doch Weber sagt eine schnelle Verbesserung voraus: „Wir sehen im Durchschnitt der letzten Jahre eine Effizienzsteigerung um 14 Prozent bei der Energiedichte pro Jahr“, sagt Weber. „Das heißt, innerhalb von fünf Jahren verdoppelt sich die Energieintensität.“ In Zukunft werde sich diese Entwicklung eher beschleunigen. Bei den Preisen für die Batterie erkennt Weber eine ähnliche Entwicklung, die sich mit der wachsen Zahl der Elektroauto-Zulassungen in Zukunft noch verstärken werde.
Wegen dieser nun eher kalkulierbaren Bedingungen sei Daimler erstmals in der Lage, „über Konzepte nachzudenken, bei denen wir Äpfel mit Äpfel vergleichen“, sagt Weber. „Deswegen glauben wir, spätestens jetzt müssen wir loslegen.“ (ampnet/Sm)
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