Montag, 11. Mai 2015 Automatisch geht's bequemer und besser
Porsche Panamera Diesel: Acht-Gang-Automatik. Foto:Auto-Medienportal.Net/Porsche
Autos mit Getriebeautomatik beschleunigen heute besser als gleich motorisierte Modelle mit Handschaltung, sie sind sogar sparsamer – und für den Fahrer eine Wohltat im Stop-and-go-Stadtverkehr. Kein Wunder, dass Automatikgetriebe ständig an Bedeutung gewinnen – sogar in den kleinen Klassen. „Automatic“ stand mit großen Chrombuchstaben am Heck, auch „Automatique“ in verschnörkeltem Schriftzug. Drinnen im Auto hielten ältere Semester das große Lenkrad in der Faust, oft mit Hut und mit Papierrolle auf der Heckablage im gehäkeltem Überzug. Sie bewegten ihr automatisches Auto bedächtig, bergauf sehr bedächtig. Wenn der Schriftzug einen 200 D zierte mit fast zwei Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, mit 55 PS und 113 Newtonmeter maximalem Drehmoment, dann konnte auch ein junger Wilder kaum mehr als bedächtig agieren: Beschleunigung 0 - 100 in 31 Sekunden...
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Automatik – das war in den Zeiten dieses 200 D etwas für Ältere, für Leute, die sich den Umgang mit Kupplung und Schalthebel nicht zutrauten, vielleicht durch eine Verletzung auch nicht richtig zutreten konnten mit dem linken Fuß. Automatik-Autos jedenfalls parkten in einer ganz bestimmten Ecke. Um so mutiger mutet an, dass die Zahnradfabrik Friedrichshafen, besser bekannt unter ihrem Kürzel ZF, zu dieser Zeit eine Getriebeautomatik zu bauen begann.
3HP hieß der Erstling 1965: „H“ stand für den Drehmomentwandler, „P“ für das Planetengetriebe. Dieses hatte drei Gänge, daher die Zahl „3“ am Anfang. Sie entsprachen dem Vorbild vom US-Spezialisten Borg-Warner, kurz war ZF mit ihm verbunden. Bei den Amerikanern war damals schon das automatische Auto der Normalfall. BMW und Peugeot waren 1965 die ersten Kunden, mit Alfa Romeo, Citroen, Lancia und Maserati folgten rasch weitere Adressen im Oberhaus des europäischen Automobilbaus. Die Nachfolge-Konstruktion 4HP ab 1982 enthielt bereits vier Gänge und eine Überbrückungskupplung für den Drehmomentwandler. Diese beseitigte den restlichen Schlupf bei höheren Drehzahlen, sie steigerte damit den Wirkungsgrad. Die Baureihe 5HP ab 1990 wurde erstmals „elektronisch intelligent’“ Ihre adaptive Steuerung erkannte zum Beispiel eine Passfahrt bergauf und vermied das bis dato übliche störende Hochschalten beim Gaswegnehmen vor einer Kurve. Der Geistesblitz war gut für vier Millionen produzierte 5HP-Getriebe, schon beim Vorgänger waren es zwei Millionen. ZF hatte sich endgültig als weltweit führender Hersteller von Automatikgetrieben etabliert – auch bei weiteren Premiumkunden wie Audi, Jaguar, Volvo, sogar Porsche und Rolls Royce.
Über die 6HP-Automatik 2001 (erste überhaupt mit sechs Gängen, sieben Millionen Exemplare) setzt sich die Erfolgsgeschichte fort zu den heutigen Baumustern 8HP (2009, weltweit erstmals mit acht Gängen, Produktion bisher 7,5 Millionen Stück) und 9HP (2013, erneut weltweiter Trendsetter mit neun Gängen). Letztere wurde speziell für das stark steigende Angebot an Kompaktfahrzeugen mit quer eingebauten Motoren entwickelt. Beide eignen sich auch für Start-Stopp-Systeme sowie für Hybrid- und Plug-in-Modelle. Sie ermöglichen auch „Segeln“, das Rollen mit abgekoppeltem Motor (z. B. an passendem Gefälle).
Längst ist eine Getriebeautomatik selbst in Supersportwagen selbstverständlich, ZF beliefert neben Porsche z. B. Bentley und Aston Martin. Wer will, kann per „Tiptronic“ die Gänge blitzschnell und ohne Zugkraftunterbrechung selbst wechseln. „Verschachtelte Mehrfach-Rückschaltungen“ über mehrere Gänge sorgen auch ohne Eingriff des Fahrers beim Gasgeben für kräftigen Zug – beim Standard-Spurt 0 - 100 km/h gleichermaßen wie in der Praxis. Bestwerte lassen sich durch simples Gasgeben abrufen, Handschaltung erfordert akribischen Umgang mit Kupplung und Schalthebel.
Automatikautos sind längst keine Säufer mehr – im Gegenteil. Ihr Normverbrauch liegt oft unter motorisch identischen Handschaltern. Der Unterschied in der Praxis kann noch größer sein. Vor allem eine Acht- oder Neun-Gang-Automatik lässt den Motor, wann immer möglich, mit niedrigen und mithin sparsamen Drehzahlen arbeiten. Sie steigern dabei auch den Komfort, indem sie den Geräuschpegel im Wagen reduzieren.
Acht, neun Gänge: Ist damit das Ende Fahnenstange erreicht? Ja, sagen die Entwickler bei ZF, die Zahl könnte langfristig sogar sinken. Moderne „downgesizte“ Turbomotoren erreichen ihre Bestwerte in Zugkraft und Verbrauch in relativ engen Drehzahl- und Lastbereichen. Je mehr Gänge, desto besser lassen sich diese Bereiche ausnutzen. In Zukunft wird es viel mehr elektrifizierte Autos geben – Mild-, Voll- und Plug-in-Hybride. (ampnet/fer)
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