Auf vier Postkarten ums Eck
"Ein Auto kann noch so gut sein, ohne die entsprechende Kraftumsetzung von Leistung und Drehmoment auf den Asphalt nutzt das wenig", fügt Wolfgang Schiwietz, Leiter Technik und Tuning bei YOKOHAMA hinzu. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass von einem einzelnen Reifen jeweils nur ein Areal von der Grösse einer Postkarte den Boden berührt. "Wenige Quadratzentimeter müssen bei einem Pneu mehrere 100 Kilo Auto und die Konsequenzen aus Lenk-, Brems- und Beschleunigungskräften tragen. Und das nicht nur geradeaus, sondern auch dann, wenn der Fahrer mit Highspeed über die Curbs rauscht oder sich tüchtig in die Kurve wirft. "Hinzu kommt die zusätzliche Achslast durch den Anpressdruck der Spoiler, die beispielsweise bei einem Spitzenfahrzeug der VLN durchschnittlich 500 kg beträgt", erläutert Theisen. Bei all diesen Bewegungsabläufen gilt physikalisch: Das Auto möchte in Folge der Massenträgheit am liebsten in seinem augenblicklichen Zustand verharren, sprich bei möglichst gleich bleibender Geschwindigkeit geradeaus fahren. Abweichende Manöver müssen dem Fahrzeug deshalb mehr oder weniger aufgezwungen werden, und zwar in letzter Instanz durch die Reifen. Ohne den Grip des Gummis würden die Anstrengung von Lenkung, Bremse und Motor wirkungslos verpuffen.
Soft- und Hardware bestimmen die Reifenperformance
Einen Reifen zu entwerfen ähnelt ein wenig der Komposition eines Musikstücks: Jede einzelne Note bewirkt einen spürbaren Unterschied und nicht jede Mischung gefällt allen. In jedem Fall müssen Hersteller eine Reihe zunächst widersprüchlich erscheinender Eigenschaften unter einen Hut bringen. So soll ein Pneu formstabil sein, Kräfte und Kursänderungen präzise übertragen und das Fahrzeug stützen, sich gleichzeitig aber auch nachgiebig zeigen. Wie ein Hersteller dies alles in Einklang bringt, ist ein streng gehütetes Geheimnis. Doch so viel lässt sich Theisen in die Karten schauen: "Bereits der Winkel, in dem die Textileinlagen unter der Lauffläche verlaufen, beeinflussen deren Festigkeit und die Geradeauslauf-Eigenschaften", erläutert er. Es ist aber nicht unser Pneu allein, der die Performance beeinflusst. Eine gewichtige Aufgabe hat auch der Füllstoff Luft, die unter genügend Druck von der "Software" zur "Hardware" mutiert. "Je nach Einsatzzweck und Fahrzeug empfehlen unsere Mitarbeiter den Teams andere Setups. Wir stehen permanent im Dialog", erklärt Theisen.
Hitze und Schläge als Luftpumpe
YOKOHAMA empfiehlt im Rennsport einen Druck zwischen 1,5 und 1,8 bar. Das hört sich für den Laien niedrig an, man darf jedoch nicht vergessen, dass die enormen Belastungen im Rennbetrieb den Pneu stark erwärmen, wodurch der Innendruck auf 2,0 bis 2,3 bar anwächst. "Die zahlreichen harten Schläge sowie die warme Abluft der Bremsen wirken wie eine Luftpumpe", erläutert Theisen. "Deshalb optimieren wir unsere Rennprodukte auf einen Arbeitsbereich zwischen 80 und 100 Grad." Physikalisch gesehen steigt einerseits die Griffigkeit des Reifens, weil das Gummi weicher wird, andererseits wölbt er sich stark auf. Infolge verringert sich die Bodenaufstandsfläche. Dazu kommen viele weitere Faktoren, die es von den Reifenkonstrukteuren in Betracht zu ziehen gilt: Rennstrecke und Einsatzweck, optimaler Sturz, Vorlieben der Fahrer, Grösse und Gewicht des Fahrzeugs, Anzahl der erlaubten Reifenwechsel und vieles mehr.
Eckige Rennreifen
"Schon beim Vergleich der Kontur zwischen dem profillosen Slick und Straßenreifen werden Unterschiede augenfällig. Der Slick verfügt über breitere Schultern, bei ihm ist die Konstruktion darauf ausgelegt, eine möglichst breite Lauffläche auf die Straße zu bringen. Deshalb sind Rennreifen im Winkel zwischen Lauffläche und Seitenwand fast rechteckig.
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