Andersson mobilisiert alle Kräfte
Letztes Saisonrennen der Extreme E in Uruguay. Drei Minuten bis zum Start des Zeittrainings. „An alle Fahrerinnen und Fahrer: Energie auf alle Systeme“, knistert die Stimme des Rennleiters über Funk. Klara Andersson gähnt erst einmal herzhaft. Die ersten Sekunden nach dem Start entscheiden in der Elektro-Rennserie häufig schon über Sieg oder Niederlage. Und die Schwedin am Lenkrad des CUPRA TAVASACAN XE scheint gleich einzuschlafen. Doch der Eindruck täuscht. „Das gehört zu meiner Routine vor jedem Start. Ich fahre meinen Puls total runter. Erst eine Minute, bevor die Ampel auf Grün springt, mobilisiere ich dann alle Kräfte“, verrät die 22-Jährige.
Beim Energy X Prix im Badeort Punta del Este zählt das Team ABT CUPRA XE zum ersten Mal in der laufenden Saison zu den Favoriten. Der auf einer Wiese, in Sichtweite des Atlantiks, künstlich angelegte Kurs scheint Andersson und Teamkollege Nasser AlAttiyah zu liegen „Auf Gras ist die Strecke glatt wie Eis. Wo schon Spurrillen herausgefahren sind, ist der Grip dagegen extrem hoch“, beschreibt Al-Attiyah die mit rund drei Kilometern kürzeste Strecke der gesamten Saison.
Bestzeit für ABT CUPRA XE schon im Zeittraining
Diese tückischen Verhältnisse führen zu zahlreichen Überschlägen. Die Titelverteidiger, das Team RXR des ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Nico Rosberg, erwischt es. X44, die Mannschaft von Superstar Lewis Hamilton, muss nach einer Mehrfach-Rolle sogar auf das Ersatzauto umsteigen. Klara Andersson und Nasser Al Attiyah haben dagegen alles im Griff. Schon im Training legen die Rallycross-Expertin aus Schweden und der viermalige Rallye-Dakar-Sieger aus Katar die Bestzeit vor. Dreieinhalb Sekunden sind sie schneller als das zweitplatzierte Team.
Turbulentes Qualifikationsrennen
Im Qualifikationsrennen, in dem sowohl der Fahrer als auch die Fahrerin eines Teams jeweils zwei Runden zu bewältigen haben, beweist das CUPRA Duo erneut seine Schnelligkeit. Al-Attiyah duelliert sich vom Start weg mit dem fünfmaligen RallycrossWeltmeister Johan Kristoffersson (RXR) um die Führung. Mehrfach wechseln sie nach ebenso sehenswerten wie riskanten Überholmanövern die Positionen. Den erstmals in zwei Jahren Extreme E zugelassenen Zuschauerinnen und Zuschauern stockt der Atem. Beinahe mit Ansage kommt es in einem Abschnitt mit grossen Bodenwellen zu einer Kollision. Kristoffersson dreht sich, Al-Attiyah rutscht kurz neben die Strecke. Beide können weiterfahren – die Führung hat sich allerdings Kevin Hansen (Veloce Racing) geschnappt.
An zweiter Stelle liegend, räumt Al-Attiyah das Cockpit des CUPRA Tavascan XE für Andersson. Die Schwedin macht sich auf die Verfolgung von Molly Taylor, die jetzt für Veloce Racing am Lenkrad sitzt. Trotz fehlender Fronthaube holt die bestens aufgelegte Andersson ihre australische Konkurrentin schon bald ein. Der erste mutige Überholversuch misslingt noch, auch den zweiten kann Taylor abwehren. Die dritte Attacke hingegen klappt und Klara Andersson erobert die Spitze. Scheinbar mühelos baut sie ihren Vorsprung aus und fährt knapp drei Sekunden vor Taylor als Erste durchs Ziel.
Riesenjubel bei ABT CUPRA XE über den ersten Laufsieg in der Extreme-E-Historie des Teams. Auch wenn allen klar ist, dass die Sportkommissare den Vorfall zwischen AlAttiyah und Kristoffersson näher untersuchen werden. Und tatsächlich schreiben die Rennschiedsrichter die Hauptschuld an der Kollision Al-Attiyah zu und brummen ihm eine Zeitstrafe auf. Heftige 30 Sekunden werfen Team ABT CUPRA XE auf Rang vier in der Wertung des Qualifikationsrennens zurück. „Ich sehe die Sache natürlich anders“, grummelt der 51 Jahre alte Routinier. „Aber letztendlich sind wir trotzdem im Halbfinale, also können wir mit der Strafe leben.“ Denn die in Zeittraining und Qualifikation gesammelten Punkte reichen Al-Attiyah und Andersson für den Einzug in die nächste Runde.
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