Donnerstag, 20. Januar 2022 Motorsport im Piratennest: Wie eine Rallye ein Casino retten sollte
Alpine A110 1600 S bei der Rallye Monte Carlo 1971. Foto: Auto-Medienportal.Net/Alpine
Am südwestlichen Rand der Alpen, dort wo sie an die Küste stoßen, ragt ein Fels aus dem Meer. Einst stand – der Legende nach – ein Tempel des Herakles auf diesem Stein. Ein einzelnes Haus – „monoikos“ auf griechisch. Diesen Namen trägt das 65 Meter hohe Felsplateau bis heute. Der Fels von Monaco. Statt des Tempels steht hier heute der Palast der Fürsten. Monaco ist einer dieser Kleinstaaten, bei denen meist gar nicht so klar ist, welcher historische Zufall dazu führte, dass sie überhaupt noch existieren und nicht im Laufe der Jahrhunderte anderen Staaten zugeschlagen wurden. Und steht für zwei herausragende Motorsportereignisse: den Grand Prix von Monaco und die berühmteste aller Rallyes, die Rallye Monte Carlo. Sie wird am Wochenende 111 Jahre alt.
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Dass es ihr nur zwei Quadratkilometer kleines Fürstentum heute noch gibt, hat die genuesische Familie Grimaldi, die dort seit sieben Jahrhunderten herrscht, gewaltigem Glück und noch mehr Verhandlungsgeschick ihrer Vorfahren zu verdanken. So konnten sie sich auf einem schmalen Küstenstreifen und in engen Bergtälern zwischen Frankreich und dem heutigen Italien behaupten. Spötter mögen unterstellen, dass die mächtigen Nachbarn sie schlicht übersahen. Als das Königreich Sardinien im Jahre 1859 Nizza und Savoyen an Frankreich abtrat – und im Jahr 1861 zum Königreich Italien wurde – wäre Monaco fast ein Teil Frankreichs geworden. Doch es kam anders. Die Familie Grimaldi – die ohnehin die meiste Zeit des Jahres in Paris lebte und gut mit Kaiser Napoleon III. konnte – trat 95 Prozent ihres Gebietes an Frankreich ab und durfte ihren kargen Fels am Meer behalten.
Doch mit dem Verlust des Großteils ihres Gebietes war die Familie Grimaldi gezwungen, neues Einkommen zu generieren. Die getroffene Entscheidung sollte den Charakter des Fischer- und Piratennestes an der Cote d’Azur mehr verändern, als sich die Monegassen vorstellen konnten. Es war der Bau der Spielbank. Bereits zuvor gab es Versuche von Glücksspiel in dem kleinen Küstenörtchen, doch erst die 1863 errichtete Spielbank sollte das Land nachhaltig umkrempeln. Ein unbebautes Hügelchen gegenüber dem Fels von Monaco wurde nach dem Fürsten Charles III. benannt und die Heimat des Casinos – der Monte Carlo. In den folgenden Jahren wuchsen um die Spielbank herum Luxushotels und es kam der Anschluss an die Eisenbahn. Das Glücksspiel wurde so lukrativ, dass alle direkten Steuern im Fürstentum abgeschafft wurden.
Viele Jahrzehnte ging es gut und der europäische Erb- und Geldadel tummelte sich unter der mediterranen Sonne. Doch im Laufe der Jahre verlief das Wintergeschäft schleppend und der Leerstand der Hotels stieg an. Die High-Society verbrachte den Winter lieber in Nizza oder Venedig zum Karneval. Monaco ging leer aus und so kam Fürst Albert I. die Idee, den jungen aber bei finanzkräftigen Kreisen beliebten Motorsport, als Werbezweck zu nutzen. Ihm schwebte die Idee einer Sternfahrt vor, zu der Autofahrer aus ganz Europa nach Monaco kommen und sich bei der Spielbank versammeln sollten. Da „rallier“ auf französisch versammeln bedeutet, hieß diese Veranstaltung Rallye Monte Carlo. Erstmals fand sie im Januar 1911 statt.
In den ersten Jahren nahmen noch Privatpersonen mit ihren eigenen Sportwagen an der Rallye teil. Manch einer ließ sich gar von seinem Chauffeur kutschieren. Bei diesem Rennen ging es weniger um die Geschwindigkeit, sondern um mehrere Kategorien, wie etwa die zurückgelegte Strecke. Je weiter die Anfahrt, desto mehr Punkte. Aus ganz Europa kamen die Teilnehmer. Einigen wurde dies zum Verhängnis. Etwa Startern aus Sankt Petersburg, die im russischen Winter auf den unbefestigten Schotterstraßen des frühen 20. Jahrhunderts versanken. Auch wenn sie ankamen, waren die Karosserien häufig derart mitgenommen, dass die Juroren die damals noch existenten Punkte für Eleganz, Komfort und Zustand abzogen.
Der erste Sieger der Rallye Monte Carlo war der Franzose Henri Rougier in einem Turcat-Méry, der sich gegen 19 andere Starter durchsetzte. Der Deutsche Karl Friedrich von Esmarch, der auf dem sechsten Platz gelandet war, legte Einspruch ein, da er Betrug bei der mehr als subjektiven Punktevergabe vermutete. Diese Kritik an der Entscheidung seiner Durchlaucht, des Fürsten, welcher der Jury vorsaß, kam nicht so gut an. Von Esmarch brachte dies die Disqualifikation und der Rallye enorme Aufmerksamkeit. Im Jahr darauf machten sich bereits 65 Automobile auf den Weg an die Cote d’Azur. Neben der Sternfahrt entstanden in den folgenden Jahren kleine Wettbewerbe wie das Langsamfahren oder erste Etappenrennen. Auch gab es Kategorien wie die meisten transportierten Personen, so dass Busse an der Rallye teilnehmen konnten. (aum/Fynn Göttsche)
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