Was bezeichnen Sie als Ihren größten Erfolg Ihrer Motorsport-Karriere? Carlos Sainz: "Das ist so leicht nicht zu beantworten. Ich habe zwei Titel in der Rallye-Weltmeisterschaft gewonnen und jetzt die ‚Dakar‘. Beides sind im Grundsatz ähnliche, jedoch auch komplett unterschiedliche Disziplinen. Und sie sind schwer zu gewinnen. Ganz klar: Die Rallye Dakar ist ein großes Rennen mit einer enorm hohen sportlichen Bedeutung. Sie für sich entschieden zu haben, macht mich richtig stolz, denn ich habe sie auf meine Art gewonnen, mit meinem Verständnis von diesem Sport." Wieviel Erfahrung braucht es, eine "Dakar" zu gewinnen? "Als Erstes braucht man ein siegfähiges Auto. Das habe ich mit dem Race Touareg dieses Jahr gehabt, das habe ich auch schon vergangenes Jahr gehabt. Doch damals haben unglückliche Umstände den Sieg vereitelt. Dieses Jahr konnten wir es umsetzen. Ich musste nach meinem Einstieg in den Marathon-Rallyesport 2005 erst einmal lernen, im tiefen Wüstensand schnell und fehlerfrei zu fahren. Das mir das gelungen ist, zeigt sich darin, dass ich mich weder 2009 noch 2010 bei der ‚Dakar‘ festgefahren habe. Dazu braucht es in der Tat Erfahrung." Und wie viel Geduld ist für einen "Dakar"-Sieg nötig? "Als ich in diese Disziplin gewechselt bin, musste ich daran arbeiten, geduldig zu bleiben. Das macht einen großen Unterschied zu Sprintrallyes aus. Während der gesamten Rallye, während der Prüfungen, selbst im Biwak – man muss permanent geduldig bleiben. Gerade bei der ‚Dakar‘ kann man sein Glück nicht erzwingen, dazu ist der Sport viel zu komplex. Ich glaube, das habe ich in den vergangenen Jahren immer mehr verinnerlicht." Es scheint so, als hätten Sie in diesem Jahr aus taktischen Gründen bewusst auf Tagessiege verzichtet, um so selten wie möglich am folgenden Tag die Route eröffnen zu müssen – was ein echter Nachteil ist. Pures Kalkül? "In der Tat kann man den Eindruck gewinnen, dass ich nicht so sehr auf Tagessiege aus war. Um ehrlich zu sein, habe ich dennoch permanent alles gegeben, hatte das ein oder andere Mal allerdings Pech mit Staub und Reifenschäden. In der zweiten Woche ist dieser Eindruck aber zu Recht entstanden: Wir haben mit der Führung im Rücken mehr auf die Schonung des Materials geachtet, obwohl mein Teamkollege Nasser Al-Attiyah mit mehr Risiko immer näher kam. Volkswagen Motorsport-Direktor Kris Nissen war während der gesamten Zeit aber immer ein guter taktischer Berater." Gemeinsam mit Ihrem neuen Beifahrer Lucas Cruz sind Sie bislang ungeschlagen. Was macht den Unterschied? "Es lief von Beginn an gut und wir haben die Vorbereitungsrallyes in Brasilien und im Orient für uns entschieden. Wir haben eine gute Beziehung zueinander und Lucas macht einen herausragenden Job. Alle drei Siege waren strategisch gut herausgefahren. Ich glaube, wenn man diese Statistik betrachtet, dass wir unsere Sache gut gemacht haben." Wie würden Sie ihre Beziehung zu Lucas Cruz im und außerhalb des Cockpits beschreiben? "Lucas ist zu allererst ein erstklassiger Beifahrer und Navigator. Dazu ist er eher ein ruhiger Typ und immer entspannt. Mit diesen Eigenschaften ist er die perfekte Ergänzung zu mir. Er ist hochprofessionell und nimmt seinen Job sehr ernst." Die "Dakar" ist auch ein Teamsport. Wie wichtig ist es, ein gutes Team hinter sich zu haben? "Zuvor haben wir darüber gesprochen, dass es ohne ein siegfähiges Auto unmöglich ist, die ‚Dakar‘ zu gewinnen. Dazu gehört für mich als Einheit das Team, das dieses Auto vorbereitet. Ein echtes Siegerteam also. Teil einer großartigen Mannschaft wie Volkswagen zu sein, macht mich stolz. Seit meiner Verpflichtung vor fünf Jahren hat sich die Truppe kontinuierlich weiterentwickelt. Jeder im Team weiß ganz genau, was er tut, und jeder ist extrem professionell in seinem Job. Selbst auf kleineren Rallyes ist jeder fokussiert auf den Erfolg. Das Ergebnis daraus ist der Dreifachsieg bei der ‚Dakar‘, den sich das Team hart erarbeitet und verdient hat."
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