Samstag, 18. Oktober 2008 Generationswechsel - Das Ende einer Formel 1 Epoche
Mit dem Herzen in Interlagos, mit den Gedanken bereits in Melbourne: Beim Grossen Preis von Brasilien macht die Formel 1 ihrem Ruf als erklärte Zukunftsbranche alle Ehre. Der 18. WM-Lauf der Saison 2008 zieht einen Schlussstrich unter eine Epoche der Grand-Prix-Geschichte. Wenn sich der T-Systems-Partner BMW Sauber F1 Team und dessen Konkurrenten im Frühjahr 2009 den Herausforderungen eines neuen Rennjahres stellen, wird nichts mehr so sein, wie es jetzt noch ist. Die Formel 1 steht vor grösseren Veränderungen als wir sie je hatten", sagt Dr. Mario Theissen, der Motorsportdirektor von BMW, "und diese werden uns sehr in Atem halten."
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Drei grosse Veränderungen prägen das neue Reglement des Automobilweltverbandes FIA, und alle dienen vorrangig einem Ziel: Das Überholen zu erleichtern und damit der Formel 1 zusätzliche Attraktivität zu verleihen. Dazu sind einschneidende Massnahmen in den Bereichen Aerodynamik, Energierückgewinnung und Reifen getroffen worden.
Diese Neuerungen bestimmen künftig das Design und das Fahrverhalten der Formel-1-Rennwagen:
Die Aerodynamik: Die Frontflügel werden breiter (1800 statt 1400 mm), abgesenkt und können über einen Druckknopf am Lenkrad vom Fahrer zwei Mal pro Runde verstellt werden. Die Heckflügel werden schmaler (750 statt 1000 mm) und höher. Zusatzelemente, wie man sie heute noch am Chassis sieht, entfallen. Die Austrittsöffnungen für die Kühlluft werden geschlossen. Der Unterboden wird zur Kanalisierung der Luftströmung völlig neu gestaltet.
Die Energierückgewinnung: Ein weiteres mal fördert die Formel 1 zukunftsträchtige Technologien, denn künftig kann ein Teil der beim Bremsen frei werdenden Energie über das elektrische Kinetic Energy Recovery System (KERS) gespeichert werden. Diese kann über einen so genannten "Boost Button" am Lenkrad zu einer kurzfristigen Steigerung der Motorleistung um etwa 82 PS für maximal 6,6 Sekunden pro Runde zugeschaltet werden. Diese Art der Hybridtechnologie ist Neuland für alle Rennställe.
Die Reifen: Die 1998 eingeführten Rillenreifen werden durch profillose Pneus abgelöst. Durch den Wegfall der Rillen vergrössert sich die Auflagefläche der Reifen, die dadurch besser auf der Piste "kleben".
Verständlich, dass die Weiterentwicklung des BMW Sauber F1.08 mit den letzten Testfahrten Ende September zum grössten Teil eingestellt worden ist. Die Anstrengungen in den Rennfabriken in München und dem schweizerischen Hinwil konzentrieren sich vor allem auf die Konstruktion des Nachfolgers F1.09, mit dessen Entwicklung angesichts der radikalen Neuorientierung ungewöhnlich früh, nämlich bereits Anfang 2008, begonnen wurde.
"Die Datenverarbeitung spielt eine extrem wichtige Rolle bei den Entwicklungen für die nächsten Jahre", sagt BMW Sauber F1-Pilot Nick Heidfeld,. "Wir sammeln alle Daten aus dieser Saison, was die Strecken, das Setup und die Balance des Autos betrifft. Auch wenn wir nächstes Jahr ein Reglement haben, das die Autos komplett verändert, geben uns diese Daten die Richtung vor, in die wir das neue Auto entwickeln können und müssen."
Das Team geht dabei an die Grenzen der Simulationstechnik und Rechnerkapazitäten, um herauszufinden, wo noch Leistungsreserven für die Zukunft liegen. Eine entscheidende Rolle spielt in diesem Stadium die computergestützte Strömungssimulation CFD (Computational Fluid Dynamics), mit dem Luftströmungen am Computer sichtbar gemacht werden können. Eine sehr effiziente Methode, die Kosten und Zeit spart. Der große Vorteil: Bereits in den Rechnern und auf den Bildschirmen wird klar, welche Entwicklungsrichtungen viel versprechend sind und mit welchen neuen Teilen sich die teuren Windkanaltests lohnen. Die Änderungen im Reglement machen die Suche nach der besten Lösung nicht einfacher, denn in schnellen Kurven sind die negativen Auswirkungen der neuen Aerodynamik grösser als der positive Effekt durch die profillosen Reifen. Die Folge: Nur in langsamen Kurven führt der bessere Grip der neuen Reifen zu höheren Geschwindigkeiten; in schnellen Kurven fahren die Autos auf Grund der aerodynamischen Einschränkungen künftig langsamer.
"Das neue Reglement zwingt uns zu neuen Fahrzeugkonzepten, vor allem im Bereich der Aerodynamik", sagt Dr. Mario Theissen. "Wir haben sehr intensive Berechnungsarbeiten durchgeführt, über Monate Grundkonzepte entwickelt und das Verhalten des Autos bewertet. Erst wenn diese Konzepte umgesetzt wurden gehen wir in den Windkanal."
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