Dienstag, 24. Januar 2023 75 Jahre Porsche: Wie die Schweiz zum Geburtshelfer wurde
Fertigung der ersten 356-Modelle in Gmünd. Foto: Auto-Medienportal.Net/Porsche
Ferry Porsche wusste genau, was er wollte. „Ich konnte den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden, also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ Das Ergebnis ist bekannt. Aus dem trotzigen Spruch wurde die deutsche Sportwagenmarke. Die Geschichte begann vor 75 Jahren im beschaulichen Gmünd in Kärnten und hätte ihre Fortsetzung fast in der Schweiz gefunden.
Im Jahr 1944 war das Konstruktionsbüro Porsche auf Befehl des damaligen Rüstungsminister Speer von Stuttgart nach Gmünd in Kärnten umgezogen, weil dort die Gefahr von Angriffen der Alliierten gering war. Bevor Ferry Porsche seinen ersten Sportwagen entwickeln konnte, standen andere Aufgaben an, denn nach Kriegsende entwickelte Porsche zunächst landwirtschaftliche Gerätschaften. Parallel zu diesen Entwicklungen entstanden die ersten Zeichnungen mit der werksintern Konstruktionsnummer 356 – eine Zahlenkombination, die später Kultstatus erreichen sollte.
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Am 8. Juni 1948 erhielt der Porsche Nr.1 schließlich die Zulassung als Prototyp und rollte auf die Straße. Nummer Eins besaß einen Mittelmotor, der aus dem Volkswagen-Käfer übernommen worden war und nach einer Kraftkur immerhin 35 PS leistete. Später wurde der Antrieb ins Heck verlegt.
Für die Karosserie fehlte allerdings Leichtmetall, das im Nachkriegs-Österreich nirgendwo zu finden war. Und nun kommt die Schweiz ins Spiel. Die Eidgenossenschaft konnte liefern, und Porsche erhielt in Wien eine Importgenehmigung unter der Auflage, die damit entstandenen Sportwagen zu exportieren, denn Devisen waren ebenso Mangelware wie die Leichtmetalle.
Der schließlich fertiggestellte Roadster wurde 1948 in der Schweiz – wo sonst – auf der Rennstrecke Bremgarten in Bern zum ersten Mal gezeigt und war auf Anhieb ein Erfolg. In der renommierten Schweizer „Automobil-Revue“ erschien am 7. Juli 1948 ein erster Testbericht, in dem der anonyme Autor die bis heute für die Marke charakteristischen Eigenschaften – sportlich, aber alltagstauglich – beschrieb. „So stellt man sich tatsächlich die Fahreigenschaften eines modernen Wagens vor, der die Vorzüge moderner Aufhängungssysteme und ihres guten Fahrkomforts mit der zähen Bodenhaftung eines ebenso modernen, niedrigen und handlichen Sportwagens vereint. Obwohl noch nicht bis ins letzte den kommenden Sportwagen entsprechend, liess (sic) der offene Zweisitzer, dessen ungewöhnliche Form erklärlicherweise überall Aufsehen erregte, doch erkennen, dass er dank seines günstigen Leistungsgewichts nicht nur als Wagen für den täglichen Gebrauch des Sportfahrers, sondern auch für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen ein ideales Gefährt bildet.“
Nr. 1 blieb schließlich in der Schweiz. Angesichts der Entwicklung es Serien-356 litt das junge Unternehmen unter ständigem Geldmangel, und Nr. 1 wurde an einen deutschen Architekten in Zürich für damals beachtliche 7500 Franken verkauft. Der Mann entfernte als erste Tat den Porsche-Schriftzug und ersetzte ihn durch „Pesco“. Das klang irgendwie italienisch, und außerdem wollte der neue Besitzer keine Werbung für Porsche fahren.
Die Verbindung Porsche und Schweiz wurde später noch enger, und die Verantwortlichen dachten damals ernsthaft daran, die Serienproduktion in die Schweiz zu verlagern. Das Unternehmen hatte Kontakt zum Karosseriebauer Beutler im Berner Oberland aufgenommen, das die Möglichkeit eines Cabriolets auf 356-Basis untersuchen sollte. Das Ergebnis waren die ersten fünf offenen 356.
Der erste offizielle Auftritt der neuen Marke fand – nur logisch – in der Schweiz auf dem Genfer Automobilsalon im Jahr 1949 statt, wo ein Gmünd-Coupé (356/2-001) für stolze 15.000 Franken und ein Beutler-Cabriolet (356/002) für 17.000 Franken auf dem Stand präsentiert wurden. Zum Vergleich: Ein Eigenheim ließ sich damals für 30.000 Mark bauen.
Statt in die Schweiz zu ziehen, wechselte Porsche 1949 dann doch zurück nach Stuttgart, wo die ersten 356 von dem Karosseriespezialisten Reutter gebaut wurden. 1950 begann dort die Produktion. Der erste deutsche 356 stand damals für 10.500 Mark bei den Händlern.
Unterdessen entwickelte sich Nr.1 zu einem Schweizer Wanderpokal und wechselte immer wieder den Besitzer. Der erste Besitzer ließ die Seilzugbremsen gegen hydraulische Exemplare austauschen, verkaufte seinen „Pesco“ aber bald wieder. Der Sportwagenfahrer Herrmann Schulthess schließlich entdeckte den Ur-Porsche, ließ neue Bremsen und einen 1,5-Liter-Antrieb montieren und setzte ihn bei den damals beliebten Slalom-Veranstaltungen ein. Doch dann fehlte sechs (!) Nonnen in einem Opel Rekord der himmlische Beistand, sodass sie auf einem Alpenpass mit Nr.1 kollidierten. Statt auf den Schrottplatz fuhr Nr. 1 in die Werkstatt, um wieder aufgebaut zu werden.
1958 holte Porsche Nr. 1 endlich wieder nach Hause. Heute steht der fahrbereite Zweisitzer im Porsche-Museum und wird regelmäßig bei Oldtimer-Veranstaltungen eingesetzt. (Walther Wuttke, cen)
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