Es ist abenteuerlich, mit welch wachsweichen Argumenten Ministerpräsident Christian Wulff argumentiert, um die eigentlich vom Europäischen Gerichtshof gekippten Sonderrechte des VW-Gesetzes beizubehalten. Widersprüche über Widersprüche auch auf Bundesebene: Da feiert die Bundeskanzlerin letzten Donnerstag die Zustimmung des Bundestags zum neuen EU-Vertrag als gut für Deutschland, und schon am Abend beriet sie nach der VW-Hauptversammlung mit Wulff, wie man das EU-Urteil gegen das VW-Gesetz mit juristischen Spitzfindigkeiten und einem am Urteil vorbei formulierten neuen VW-Gesetz unterlaufen könnte. In der publikumswirksamen Runde des Bundestags wird die EU mit ihren Institutionen über den grünen Klee gelobt und schon am Abend werden Überlegungen angestellt, wie man ein Urteil des obersten EU-Gerichts austricksen kann. Wie widersprüchlich darf Politik sein, muss man da fragen. Wie schamlos dürfen Politiker ihre öffentlich propagierten Überzeugungen (?) dann im Tagesgeschäft über Bord werfen? Es bleibt einem die Luft weg, wenn man das Gerangel ums VW-Gesetz beobachtet. Warum stellt sich Herr Wulff nicht den für alle anderen Aktiengesellschaften geltenden Gesetzen und kauft für rund drei Milliarden Euro die ihm zur üblichen Sperrminorität fehlenden fünf Prozent VW-Anteile? Klar, weil er das Geld dafür nicht hat und der Koalitionär FDP eine Art Verstaatlichung von VW nicht mitmachen würde. Aber dann sollte er auch nicht so tun, als habe dieses Relikt aus den Zeiten des Wirtschaftswunder-Deutschlands noch irgendeine Berechtigung. Und auch die Bundesregierung agiert mehr als widersprüchlich: Da plant sie ein Gesetz, das den Einfluss ausländischer Regierungsfonds auf deutsche Unternehmen beschränken soll, sie selbst hält aber daran fest, dass der deutsche Staat genau diesen Einfluss behalten sollte. Weil der deutsche Staat besser ist als jeder andere? Und erst die Gewerkschaften. Da wird unter der Gürtellinie denunziert, was das Zeug hält; Porsche-Chef Wiedeking werden Allmachtsfantasien unterstellt. Dabei geht es der IG Metall einzig und allein um den drohenden Machtverlust bei VW. Das ist Allmachtsfantasie. Da werden die Mitarbeiter regelrecht aufgehetzt, der Teufel Arbeitsplatzabbau wird an die Wand gemalt und so getan, als würde der Einfluss von Porsche in den Untergang führen. Als ob sich je irgendwo auf der Welt der Einfluss von Politik und staatlicher Lenkung positiv auf ein Unternehmen ausgewirkt hätten. Was wäre aus Porsche geworden, hätten in der Krise Gewerkschaften und staatliche Stellen die Führung übernommen? Man mag es sich nicht ausmalen. Wie geht es weiter? Die EU hat bereits angekündigt, auch gegen ein VW-Gesetz light vorgehen zu wollen, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Ganz klar hält man in Brüssel die haarspalterische Interpretation des EU-Urteils durch die deutsche Bundesjustizministerin für inakzeptabel und wird sie nicht hinnehmen. Das ist gut so. Die Zeit arbeitet gegen Wulff und für Porsche. Was auf der Strecke bleibt, ist die Vernunft. Das weiterhin öffentlich wahrnehmbare Gerangel geht zulasten des Klimas bei VW. Das ist bedauerlich. Aber am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass Porsche Recht bekommt. Daran dürften nicht einmal die juristischen Berater von Wulff zweifeln. Und am Ende werden auch die VW-Mitarbeiter sehen, dass der Porsche-Einstieg besser war als der Einstieg eines Heuschrecken-Investors aus dem Ausland. Von Hans-U. Wiersch
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