Sonntag, 8. Juni 2008 Porsche vs. VW: Ein Zwist, der keiner ist
Es ist schon seltsam, wie falsch Äusserungen von Managern selbst dann interpretiert werden können, wenn sie richtig zitiert werden. So soll VW-Konzernchef Martin Winterkorn gesagt haben, wenn Porsche-Lenker Wendelin Wiedeking sich in die Tagesarbeit und VW-Entscheidungen einmischen würde, müsste oder wollte er wohl gehen. Für Journalisten sind solche kommunikativen "Sensationen" natürlich willkommene Anhaltspunkte, sie in allen Facetten auszuleuchten und zu interpretieren. Was Journalisten aus solchen Sätzen machen, ist nicht immer die Wahrheit.
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Nehmen wir einmal an, Winterkorn habe wörtlich oder sinngemäss gesagt: "Wenn sich Herr Wiedeking bei uns einmischt, gehe ich nach Hause." Journalisten scheinen gar nicht anders zu können, als zu interpretieren, eine Einmischung sei zu befürchten, stehe gar unmittelbar bevor, und Martin Winterkorn wolle ihr mit der Androhung seines Weggangs zuvorkommen. Selbst wenn er diesen Satz gesagt hätte; was würden Journalisten sagen, hätte er ihn nicht gesagt, sondern auf die Frage: "Was tun Sie, wenn sich Wiedeking einmischt?", geantwortet hätte: "Dann füge ich mich dem und mache brav, was Herr Wiedeking will." Würden Journalisten dies als Führungsstärke auslegen? - Wohl kaum. Irgendjemand scheint ein Interesse zu haben, in der Öffentlichkeit und beim VW-Betriebsrat einen Zwist an die Wand zu malen, den es bei sachlicher Überlegung überhaupt nicht geben dürfte. Natürlich gibt es Interessengruppen, die sich freuen, wenn der Eindruck von Streitigkeiten in der Luft hängt. Das Feindbild Porsche dürfte in Wolfsburg von der IG Metall in jedes Betriebsratszimmer gehängt worden sein. Das ist der wahre Konfliktherd: gewerkschaftliches Klassendenken gegen unternehmerisches Handeln. Dass ausgerechnet Wiedeking als rotes Tuch herhalten muss, ist nicht verständlich. Denn er gehört zu den wenigen Top-Managern, die nicht die Rendite zum allein seligmachenden Unternehmensziel erkoren haben, sondern den Erfolg beim Kunden, der nur zusammen mit engagierten und motivierten Mitarbeitern erreichbar ist. Wiedekings unternehmerische Philosophie müsste von den Gewerkschaften eigentlich beklatscht werden. Aber hier steht ideologische Verblendung im Vordergrund, denn ein Spitzenverdiener wie Wiedeking ist ein Kapitalist und damit a priori böse und ein Feind der arbeitenden Klasse. Was für ein Unsinn! Aber in Beton gegossenes Denken erodiert nur langsam. Spricht man mit gewerkschaftlich organisierten Betriebsräten bei Porsche, können die ihre Kollegen in Wolfsburg überhaupt nicht verstehen. Sicher werden Volkswagen, Audi und Porsche ihre Interessen miteinander abstimmen müssen, aber das geschieht weniger auf der emotionalen zwischenmenschlichen Ebene, sondern nach rationaler Analyse. Und wenn bei Porsche die Frage gestellt wird, ob ein R8 nicht in Konkurrenz zu einem Carrera stehe, ist das doch nicht verboten. Würde bei Audi jemand verlangen, dass deshalb der 911er eingestellt wird? Natürlich ist das absurd, aber genauso absurd ist es, den Hingucker R8 infrage zu stellen. Es geht letztlich darum, langfristige Strategien zu entwickeln, von denen alle etwas haben. Insofern bleiben kritische Diskussionen, die Wiedeking angestossen hat, trotzdem im grünen Bereich. Die Hetz- und Schmähkampagnen gegen Porsche sind letztlich nicht zielführend, sondern schaden dem Unternehmen. Apropos: Dass die EU nun erneut gegen das neue VW-Gesetz vorgeht, hatten wir bereits vor einer Woche als unvermeidbar erkannt. Nur die Bundesregierung mit der Justizministerin an der Spitze tut so, als habe sie das EU-Urteil richtig interpretiert und der widersprechende Wendelin Wiedeking sei im Irrtum. So viel Ignoranz und ideologische Verblendung ist schwer zu ertragen. (ar/PS/HU)
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