Montag, 1. Juni 2009 Verliert Mercedes-Benz die innovative Führungsrolle?
Mercedes-Benz SLS AMG
Fragt man Mercedes-Führungskräfte in diesen Tagen nach der Markenpositionierung, nach einer Vision für die nächsten 15 Jahre, hört man selten Visionäres. Da ist dann von Konsolidierung die Rede, von Effizienz- und Kostenreduktionsprogrammen, von Skaleneffekten und von der Rückbesinnung aufs Kerngeschäft. Visionen? – Fehlanzeige. Die Statements sind wie eine Rückbesinnung auf sich selbst, aber ohne Selbstbewusstsein. "Wir sind orientierungslos zu sehr mit uns selbst beschäftigt", kritisiert eine Führungskraft der Ebene E2, was im Hierarchie-Ranking nur drei Stufen unter dem Vorstand ist. "Edzard Reuter hatte die Vision vom integrierten Technologiekonzern, Jürgen Schrempp jene von der Welt AG, Dieter Zetsche hat noch keine erkennen lassen", geht der Manager aus sich heraus. Ob die Vorgänger-Planspiele richtig oder gut waren, spiele keine Rolle: "Ein Unternehmen braucht Visionen, um die Mitarbeiter auf ein Ziel einzuschwören. Wir haben leider keine."
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Man drehe sich im Zeichen der Wirtschaftskrise im Kreise, habe zwar solide Produkte, "aber wir verkaufen uns unter Wert, sparen an Werbung und Kommunikation und reden nur noch über Kostenreduzierung". Dies gehe bis ins Detail. So erzählt einer, dass die LED-Leuchten neuer Modelle um ein paar Einheiten verkleinert wurden, weil das auf die Stückzahl über Jahre ein paar Hunderttausend Euro bringe. "Dass dies jetzt schlechter aussieht, darauf wurde keine Rücksicht genommen." Da bietet Mercedes zum Beispiel im neuen Modell E 350 CGI einen V6-Zylinder mit der Schadstoffeinstufung Euro 4 an, während andere Hersteller wie VW in einigen Ottomotoren schon Euro 5 und Euro 6 (!) erreichen. Für einen Hersteller, der Technologievorreiter zu sein vorgibt, nicht gerade ein Aushängeschild. Hier zeigt sich die verhängnisvolle Direktive des ehemaligen Chefentwicklers Schöpf, der die Devise ausgegeben hatte, nur noch das zu machen, was der Gesetzgeber vorgibt. Für Technology-Leadership reicht es nicht aus, nur den Diesel mit AdBlue-Einspritzung sauber zu machen, und sich beim Ottomotor Zeit zu lassen. Da fragt man sich als Beobachter schon, warum die ehemalige Vorreitermarke so die Zügel schleifen lässt. Im kleinen Kreis der Kommunikatoren wird die zum Teil überkritische Presseberichterstattung schon mal kritisiert, dass man zurzeit eben nicht wirkliche Innovationen verkaufen könne, sondern nur biedere Hausmannskost. Zu Zeiten der grossen Produktoffensiven von Jürgen Hubbert sei Pressearbeit doch ein Kinderspiel gewesen. Allerdings gab es da auch Rückschläge wie den berühmt gewordenen Elchtest, bei dem die neue A-Klasse umgefallen war. Dennoch, so beobachtende Kommunikationsexperten, sei die Markenwahrnehmung positiver gewesen. In der Tat muss man nur die Berichterstattung in den Medien verfolgen, um wahrzunehmen, dass Mercedes-Benz zurzeit an positivem Image verliert. Für die Verantwortlichen ist es höchste Zeit, die Weichen wieder in eine offensive Richtung zu stellen. Das fängt sicher damit an, als Unternehmen Optimismus und Kraft ausstrahlen zu müssen. Starke Marken sind Leuchttürme der Orientierung für die Kunden und darüber hinaus für eine Gesellschaft. Wer immer nur kommuniziert, wie schlimm die Lage ist, verunsichert die Käufer ebenso wie deren Umfeld. Da berichtet "Auto Motor und Sport" zum Beispiel: "Inzwischen sieht sich Audi in Westeuropa sogar als Marktführer in der Premiumklasse, vor BMW und Daimler. In den ersten drei Monaten haben wir mit starken Marktanteilszuwächsen in Westeuropa die Führerschaft im Premiumsegment übernommen", bekräftigt Audi-Chef Rupert Stadler. "Auch in den USA legen wir deutlich zu. Und im ersten Quartal haben wir einen Profit von rund 360 Millionen Euro erwirtschaftet. Wir machen also in Summe einen guten Job. Durch unseren Erfolg werden wir vom Jäger zum Gejagten." Ganz anderes hört man von Mercedes: Trotz der aktuell guten Nachfrage nach der neuen E-Klasse hat Daimler aus Kosten- und Cash-Flow-Gründen die Einführung neuer E-Klasse-Varianten verschoben. Grund: "Der Konzern will zu einer Jahreszeit, da wenige Menschen an den Kauf eines Cabrios denken, keine begleitenden Marketing- und Vertriebskosten aufkommen lassen und stattdessen mit dem Auto in den Frühling durchstarten", heisst es. Wer weiss, wie langfristig Produktvorstellungen terminiert werden, kann diese Begründung für die Verschiebung nicht glauben. Dass im Winter kein Cabrio-Wetter herrscht, kommt so überraschend wie Weihnachten. Dann hätte ja das Mercedes-Marketing erst jetzt darüber nachgedacht, wann der Zeitpunkt für die Markteinführung der richtige ist. Böse Stimmen im Hause Daimler sagen, dass Teile des Managements nicht gerade vor Führungskompetenz strotzten. "Wo sich das Daimler-Management heraushält, sind die Produkte unserer Ingenieure erfolgreich." Das klinge wie ein Widerspruch, zeige sich aber sogar in der Formel 1: "Wo wir nichts zu sagen haben, gewinnen Mercedes-Motoren im Brawn-Team Formel-1-Rennen." (ar)
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