Dienstag, 6. Dezember 2022 Der Mann, der Bugatti wiederbelebte
Romano Artioli. Foto: Autoren-Union Mobilität/Bugatti
1952 beobachtete ein 20 Jahre junger Techniker mit Befremden, wie die Produktion von Bugatti im französischen Molsheim eingestellt wurde. Drei Jahrzehnte später, im Alter von 59 Jahren, legte dieser Techniker den Grundstein für die moderne Marke Bugatti. Dieser Mann war Romano Artioli, der heute seinen 90. Geburtstag feiert.
Romano Artioli hatte Maschinenbau studiert und anschließend Autos repariert, bis er schließlich ein Einzelhandels- und Importgeschäft für Automobile gründete. Mitte der 1980-er Jahre war dieses Unternehmen so erfolgreich, dass Romano Gespräche mit der französischen Regierung über den Kauf der Marke Bugatti aufnehmen konnte. 1987 wurde sein Plan Wirklichkeit.
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Romano sah die Bedeutung von Molsheim als symbolischer Heimat der Marke, musste aber akzeptieren, dass die Ingenieure und Designer, die er benötigte, nicht mehr in der Region lebten. Doch die Wiedergeburt von Bugatti sollte durch ein Fahrzeug geprägt sein, das dem Anspruch des Unternehmensgründers treu blieb: „Wenn es vergleichbar ist, ist es nicht mehr Bugatti“.
In der Nachbarschaft von Ferrari, Maserati, De Tomaso und Lamborghini fand er seinen Platz. Mit großem Aufwand entstand auf 240.000 Quadratmetern die modernste Automanufaktur der Welt. Die Gebäude waren beeindruckend, aber Romano wusste, dass das familiäre Gemeinschaftsgefühl entscheidender für den Erfolg von Bugatti war. Er stellte ein Team zusammen, das von einigen der besten Ingenieure und Designer ihrer Generation geleitet wurde.
Nicola Materazzi, Marcello Gandini, Giampaolo Benedini und – natürlich – Romano Artioli entwickelten den EB110, den besten und schnellsten Supersportwagen der Welt. Der EB110 verfügte über das erste in Serie gefertigte Carbonchassis, Allradantrieb, vier Turbolader und einen 3,5-Liter-V12-Motor mit fünf Ventilen pro Zylinder und 560 PS. Es gab bisher nichts dergleichen auf der Straße. Der zum 110. Geburtstag von Ettore Bugatti vorgestellte Wagen galt sofort als Sensation.
„Romano Artioli liebt die Marke Bugatti, aber vor allem versteht er sie sehr genau. Als er Bugatti kaufte, wusste er, dass es nicht wirklich im Geiste des Gründers wäre, einfach ein Fahrzeug zu bauen, das den Rest der Branche kopierte. Während alle anderen Rennwagen für die Straße bauten, wollte er den ultimativen GT entwickeln. Und das mit Technologien, die bisher noch nie in einem Straßenwagen zu finden waren, und einem zeitlos eleganten Design,“ so Bugatti-Chefdesigner Achim Anscheidt. Doch obwohl der EB110 als wahrhaft futuristische Automobilkreation gefeiert wurde, konnte Romanos Wunderwerk der aufkommenden globalen Wirtschaftskrise nicht trotzen. Am 23. September 1995 musste Romano Insolvenz anmelden.
Wieder zurück in der alten Manufaktur in Molsheim und unter der Ägide des Volkswagen Konzerns liefert der ursprüngliche EB110 Jahrzehnte später die Inspiration für einen neuen limitierten Bugatti, den Centodieci. Mit dem 2019 vorgestellten Hypersportwagen schuf das Designteam eine Neuinterpretation dieses bedeutenden Moments der Geschichte von Bugatti. Nur zehn Exemplare des hochexklusiven Bugatti Centodieci wurden im Molsheimer Atelier in Handarbeit gefertigt. Das letzte Fahrzeug steht kurz vor der Auslieferung an seinen Besitzer.
„Wir bei Bugatti haben Romano heute viel zu verdanken. Er ist ein so warmherziger Mann mit einer großen Leidenschaft für unsere Marke. Mit seiner Großzügigkeit bei der Wiederbelebung von Bugatti in den 80er-Jahren und der Definition einer Vision für die moderne Zeit legte er die Grundlagen für die Schaffung des Veyron und für den heutigen Charakter von Bugatti“, so Bugatti-Chefdesigner Achim Anscheidt.
Bis heute ist die Bedeutung von Romano Artiolis EB110 erkennbar. Er ist nach wie vor weltweit ein begehrtes Sammlerstück. Zuletzt erzielte ein Exemplar bei einer Auktion von Gooding & Company in Pebble Beach einen Preis von 3,16 Mio. US-Dollar. (aum)
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