Sonntag, 23. Mai 2010 Kommentar: Greenpeace legt die Latte tiefer
Wieder einmal gibt es eine Presseerklärung von Greenpeace; keine sonderlich überraschende, immerhin aber eine erstaunliche. Beeindruckend, was den Enthusiasten so alles einfällt, um aufzufallen. Jetzt posaunt die Truppe in die Welt, der Kohlendioxidausstoß von Autos könne durchaus auf 80 Gramm gesenkt werden. Ein neuer Report mahne dementsprechend strengere Vorgaben der EU-Wirtschaftminister an. Allen Ernstes wird behauptet, der Grenzwert für den CO2-Ausstoss der Neuwagenflotte könne durchaus von derzeit 150 Gramm auf 80 Gramm pro Kilometer im Jahr 2020 gesenkt werden. Und als ob das nicht schon Eifer genug wäre, heißt es drei Sätze weiter, nur mit diesem „ambitionierten Grenzwert’ ließe sich „die Zielmarke von 30 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer im Jahr 2040 erreichen“.
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Sogleich wird Umweltminister Norbert Röttgen bemüht, der im April „diese Zahl aus den Anforderungen des Klimawandels errechnet“ habe. Bisher, wird noch ergänzt, liege „der gesetzliche Grenzwert für 2020 bei 95 Gramm je Kilometer“. Das ist etwa der CO2-Ausstoß eines Lupo, des einstigen Dreiliterautos von VW. Röttgen orientiert demnach aufs Einliter-Auto. Interessant.
Zurück zum Klima! Dass Franziska Achterberg, Greenpeace-Verkehrsexpertin, so tut, als könnten die CO2-Emissionen der Autos das Klima tatsächlich beeinflussen, nimmt man ihr nicht übel. Bedenklich aber ist, wenn selbst der deutsche Umweltminister, offenbar mit dem Klimaberater der Kanzlerin kurzgeschlossen, daran glaubt, der Mensch könne sich „Klimaziele“ stecken und beispielsweise beschließen, eine möglicherweise einsetzende Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, was man sich ja vorgenommen hat.
Frau Achterberg weiß, dass sogar „viel mehr machbar ist, als die Autoindustrie lauthals behauptet“. Das zeigten einzelne neue Modelle. Vermutlich schwebt der Greenpeace-Expertin vor, dass das Auto der Zukunft beim Fahren letztlich sogar Energie produziert. Man muss es ihm nur beibringen.
Der Report, auf den sich Greenpeace bezieht, ist überschrieben „Lowering the bar“, was so viel heißt wie „Die Latte tiefer legen". Gutgläubige könnten annehmen, das beziehe sich im Ergebnis überraschender Selbsterkenntnis auf die ziemlich gewagten gedanklichen Luftsprünge von Greenpeace. Irrtum. Gemeint ist, dass beispielsweise eine Automarke einfach „auf kleinere Autos umschwenken“ und sich Hybrid- und Elektroautos zuwenden könne. Greenpeace scheint nicht aufgefallen zu sein, dass die Autobranche im Wissen um die Endlichkeit fossiler Energieträger diesen Weg längst eingeschlagen hat.
Bei Greenpeace dreht sich alles ums Klima. Verschiedene Szenarien mit „richtungweisender Wirkung für längerfristige Klimaschutzziele“ seien durchgerechnet worden. Offenbar kommt es nur darauf an, dass der Mensch das Klima verändern will! Bei Greenpeace scheint man es mit dem Spruch zu halten, dass schon der Glaube Berge versetzen kann. Und damit das Ganze weniger religiös, sondern greifbarer und zeitgemäßer klingt, wird gleich noch hinterhergeschickt: „Es ist einzig und allein eine Frage des politischen Willens.“
Wenn das so einfach ist, wird es wirklich höchste Zeit, im Umweltministerium eine Arbeitsgruppe zu formieren, die sich intensiv mit Klimamachen beschäftigt. Allerdings – irritieren ließe sich das Klima davon nicht. Es macht seit Menschengedenken – und darüber hinaus –, was es will. Dabei wird es bleiben. (auto-reporter.net/Wolfram Riedel)
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