Seit den ersten Tagen der Formel 1, als sich mutige Männer in mitunter fragwürdigen Konstruktionen auf ebenso fragwürdige Strecken wagten, hat sich die Sicherheit in der selbsternannten Königklasse des Motorsports deutlich verbessert. Allerdings stand die Entwicklung im deutlichen Gegensatz zu den Geschwindigkeiten, die auf der Strecke erreicht wurden. Erst im Jahr 1969 wurden zum Beispiel Sicherheitsgurte vorgeschrieben, und nach einer Reihe von Brandunfällen kamen 1973 deformierbare Tanks in die Boliden. Während die Technik verbessert wurde, kam die medizinische Betreuung der Fahrer nach einem Unfall allerdings noch langsamer voran.
Nach einem Unfall in Spa Francorchamps fand sich Jackie Stewart in einem Raum auf dem Boden liegend wieder. Um ihn herum lagen Zigarettenkippen und leere Bierdosen. Diese Zustände waren damals eher die Regel. In Brands Hatch zum Beispiel hatte das medizinische Zentrum keinen direkten Zugang zur Strecke, und die Mannschaft bestand aus zwei Pflegern, die während des Rennens einen üppigen Biervorrat vernichteten. Auch in Hockenheim gab es 1978 noch kein permanentes Medizinzentrum. Stattdessen setzten die Verantwortlichen einen umgebauten Bus als Erste-Hilfe-Station ein.
Das änderte sich erst 1978, als Bernie Ecclestone dieses Defizit erkannt hatte und den britischen Neurochirurgen Professor Sid Watkins als offiziellen Rennarzt der Formel 1 engagierte. Watkins bekam ein Jahreshonorar von 35.000 Dollar, musste aber, wie er erst später feststellte, Hotel- und Reisekosten aus eigener Tasche bezahlen. „So war Bernie eben“, erinnerte sich Watkins später, als er sich längst nicht mehr um Reisespesen kümmern musste.
Allerdings war der Weg zu einer umfassenden medizinischen Versorgung der Piloten nicht einfach. Watkins hatte zwar den Segen von Ecclestone, doch Jean Marie Balestre, Chef des internationalen Motorsportverbands FIA, ignorierte den Neurochirurgen. Watkins war ein Ecclestone-Mann, und der Franzose kämpfte mit dem Briten um die Vorherrschaft in der Formel 1. Da spielten die Forderungen des Mediziners keine Rolle. Auch die Rennveranstalter hatten kein Interesse an einem aufwendigen Medizinzentrum.
Doch nach und nach setzte sich Watkins durch und erreichte nach dem tödlichen Unfall von Ronnie Peterson 1978 in Monza, dass ein Medical-Car in der ersten Runde das Feld verfolgen durfte, um bei einem Unfall direkt helfen zu können. Beim Peterson-Unfall hatten Polizei und Streckenposten Watkins noch daran gehindert, Erste Hilfe zu leisten.
Allerdings war es ein harter Kampf, die Sicherheit in der Formel 1 auf das aktuelle Niveau zu bringen. Die Bedenkenträger drückten auf die Bremse, weil mehr Sicherheit auch höhere Kosten verursachten – für viele der damaligen Rennställe das beherrschende Argument. „Niemand akzeptiert Veränderungen, nur weil man denkt, dass sie gut sind. Man muss es beweisen“, blickte Watkins am Ende seiner Formel-1-Zeit zurück. Doch irgendwann begriff der Weltverband die Bedeutung der Sicherheit für den Sport und rief eine Sicherheitskommission ins Leben, die von Watkins geleitet wurde.
Die Entwicklung der Sicherheitsmaßnahmen in der Formel 1 wird aber auch begleitet von schwersten und tödlichen Unfällen. Statt präventiv einzugreifen, mussten immer erst Piloten auf der Strecke sterben, bevor die Verantwortlichen reagierten. Nach den tödlichen Unfällen von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna in Imola 1994 wurden höhere Cockpitwände und ein 75 Millimeter dicker Kragen aus Confor-Schaum um Kopf und Nacken ins Reglement aufgenommen. In den Jahren danach folgten Crashtests, flexible Lenksäulen, der Hals- und Nackenschutz Hans sowie eine Unfall-Warnlampe im Cockpit, die der Rennleitung die Schwere des Unfalls anzeigt, so dass der Fahrer bei Verzögerungswerten von mehr als 15 g sofort ins Medizinzentrum gebracht wird. Erst nach dem tödlichen Unfall von Jules Bianchi im japanischen Suzuka wurde der Halo als Schutz eingeführt. (ampnet/ww)
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