Hatte Patrick DeMarchelier in seinen Aufnahmen für The Cal 2008 China als beeindruckende Kulisse genutzt und Peter Beard ein Jahr später die Models in Botswana abgelichtet, liefert 2010 das exotische Brasilien den prächtigen Hintergrund für die Bilder des US-amerikanischen Fotografen Terry Richardson. Das berühmte "enfant terrible" ist bekannt für seinen provokanten, bisweilen auch empörenden künstlerischen Ansatz.
In den 30 Aufnahmen, die der Pirelli Kalender 2010 enthält, zeigt Terry Richardson eine Rückkehr zum spielerischen, reinen Eros. Durch sein Objektiv fängt er Phantasien ein und provoziert, aber dies mit einer Einfachheit, welche die lieblichsten Seiten der Weiblichkeit modelliert und erfasst. Er porträtiert einen Typ Frau, die fasziniert, weil sie natürlich ist. Die mit Klischees spielt, um sie verschwinden zu lassen, und die Ironie zu einem Schleier macht, mit dem sie sich bedeckt.
Damit kehrt Richardson zurück zur natürlichen, authentischen Atmosphäre und Bildsprache der 60er und 70er Jahre. The Cal 2010 ist eine klare Hommage an die Anfänge des Kalenders, eine Reminiszenz an die ersten Ausgaben mit Aufnahmen von Robert Freeman (1964), Brian Duffy (1965) und Harry Peccinotti (1968 und 1969). Wie seine berühmten Vorgänger wählt Terry Richardson einen schlichten, ursprünglichen Stil der Fotografie. Statt aufs Retuschieren und andere technische Tricks setzt er ganz auf die Natürlichkeit seiner Models. Sie wird zum Schlüssel, mit dem er die Frau von den künstlichen Exzessen der heutigen Mode-Fotografie befreit und ihr wahres Ich hervortreten lässt.
Ein Hahn, ein Säbel, Wasserstrahlen und alte Reifen: Sie werden zu Satzzeichen, die der Geschichte, die Richardson erzählt, Rhythmus und Harmonie verleihen. Anklänge der Pop-Art, die einige frühere Ausgaben des Kalenders inspirierte, verschmelzen mit einer für diesen US-amerikanischen Fotografen typischen Erotik. Eine Erotik, die er im Cal 2010 nur dezent andeutet, indem Richardson Anspielungen nutzt, um Konvention zu verhöhnen. Und indem er Dingen, die tabu sind, Form und Sinnlichkeit verleiht.
So entstand ein Kalender, den Francesco Negri Arnoldi, ehemaliger Professor für Kunstgeschichte an der Universität von Salento in Lecce und der Universität Tor Vergata in Rom, als Pop bezeichnet. Er definiert ihn als „völlig neu in seiner Rückkehr in die Vergangenheit, absolut einmalig durch die in ihm zusammengefasste Tradition und dazu angetan, den Charme der natürlichen Weiblichkeit wieder zu entdecken". Durch die Rückkehr zur Pop-Art sei die gewählte Bildsprache essentiell und ikonenartig, für alle verständlich und nur durch das tägliche Leben beeinflusst.
Der Pirelli Kalender 2010 hat eine klare Ausdrucksform und Terry Richardson ist ihr Interpret: Schnörkellos porträtiert er die Frauen, befreit sie von komplizierten und künstlichen Kontexten, die Modetrends vorgeschrieben haben. Seine Aufnahmen kommen ohne auffällige Hintergründe und Motive aus, sie stehen im Einklang mit der Klarheit des Fotografen und seiner Konzentration auf das Wesentliche. "Ein großer Fotograf", sagt Richardson, "erfasst den Moment - deshalb habe ich ohne zusätzliche Geräte und ohne Assistenten fotografiert. Meine Technik ist der Verzicht auf Technik: Das Objektiv ist mein Auge, mein Charisma, meine Fähigkeit, Momente der Wahrheit zu erfassen, welcher Art auch immer. Bildwinkel, der Einsatz von Farbe, Licht, Natur - das sind seit jeher die wesentlichen Aspekte meiner fotografischen Kunst."
Folgende elf Models erscheinen im Kalender 2010 : Catherine McNeil, Abbey Lee Kershaw und Miranda Kerr aus Australien, Eniko Mihalik aus Ungarn, Marloes Horst aus den Niederlanden, Lily Cole, Daisy Lowe und Rosie Huntington aus Großbritannien, Georgina Stojilijtoric aus Serbien und zwei Brasilianerinnen, Gracie Carvalho und Ana Beatriz Barros.
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